ZURÜCK ZU LOKALMEDIEN
Medien und Politik brauchten sich bis vor Kurzem gegenseitig, heute finden wir zwischen den beiden Akteuren ein Machtungleichgewicht vor (siehe Abbildung 1). Mittlerweile ermöglichen es Social Media, eigene Webseiten und die allgemeine Professionalisierung im Bereich der lokalen Verwaltungskommunikation den Gemeinden, nicht mehr auf die Lokalmedien angewiesen zu sein, um mit ihren Informationen eine möglichst grosse Anzahl an Bewohner:innen zu erreichen. Bei unserer Forschung war teilweise sogar davon die Rede, dass die Gemeinden und Lokalmedien gar nicht mehr zusammenarbeiten würden.
Dies ist längerfristig demokratietheoretisch kritisch: Bei einem Erstarken der lokalen Verwaltungskommunikation mit eigenen medienähnlichen Produkten zu Ungunsten von Lokalmedien fällt die vierte Gewalt der Demokratie defacto weg. Eine Demokratie kann nicht funktionieren, wenn eine Verwaltung sich selbst vermarktet und überprüft und dabei den Anschein einer neutralen Berichterstattung erweckt. Es braucht demnach nicht nur eine Sensibilisierung (Grubenmann/Weber 2022: 35), sondern eine Resensibilisierung für den Stellenwert von Lokaljournalismus innerhalb einer Demokratie. Das gegenseitige Verständnis muss gefördert werden. Die Lokalverwaltung, die Lokalpolitiker:innen und die Lokalmedienschaffenden müssen sich (wieder) kennenlernen und eine Vertrauensbasis aufbauen. Gegenseitige Besuche, möglicherweise verbunden mit einem Erscheinen im Medium, sind ein guter erster Schritt in diese Richtung. Zudem gibt es weitere Punkte bezüglich des Spannungsfeldes Lokalmedien-Lokalverwaltung zu beachten: |
Beispiele:
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Weitere Empfehlungen
Viele Gemeinden sind aktuell unzufrieden mit den Lokalmedien und der (nicht vorhandenen) Medienpräsenz der Gemeinden. Besonderes Alleinstellungsmerkmal des Lokaljournalismus ist jedoch genau die Berichterstattung aus lokalen Nahräumen und die damit verbundene Relevanzsetzung auf Geschehnisse auf der Mikroebene, die die direkte Erfahrungswelt der Einwohner:innen von Gemeinden abbilden. Durch überregionale Zusammenschlüsse, vermehrte Einsparungen und schwindende Redaktionen vor Ort erfolgt eine Konzentration auf die Zentren. Hierdurch geht eine wesentliche Qualität lokaler Medien verloren, insbesondere kleinere Gemeinden und deren Einwohner:innen verlieren an Präsenz. Dieser Entwicklung sollte entgegengewirkt werden, um nicht weiter an Relevanz in den Gemeinden zu verlieren.
Ein einzelner Artikel über kleine Gemeinden bringt möglicherweise nur eine beschränkte Anzahl Leser:innen, in der Gesamtheit ergibt dies aber auch eine respektable Summe. Zudem ist zu bedenken, dass eine vielfältige lokale Präsenz wesentlich zu einem positiven Image beiträgt. Eine solche Reputation ist wichtig, um Abo-, Crowdfunding-etc. Erlöse zu erzielen oder finanzielle Unterstützung durch die Gemeinden zu erhalten.
Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit, zu der auch die Gemeindekommunikation zählt, sind oftmals nicht ohne weiteres erkennbar; etwa wenn Gemeinden eigene Gemeindezeitungen herausbringen und diese wie lokaljournalistische Produkte aussehen. Deshalb ist es wichtig, die Systemgrenzen zu kennen. Journalismus ist die unabhängige Themenauswahl und das Aufbereiten von Themen, mit dem Ziel zu informieren, Leser:innen zusammenzubringen aber auch zu kritisieren. Gemeinden haben einen Informationsauftrag, sie sind demnach verpflichtet, ihre Bürger:innen über wichtige Vorgänge in der Gemeinde zu informieren und wollen mit ihrer Kommunikation ein möglichst grosses Publikum erreichen. Wo sich Lokalmedien zurückziehen, beginnen die Gemeinden verstärkt über eigene Kanäle zu kommunizieren.
Diese Gemeindekommunikation sollte jedoch nicht dazu führen, dass der Journalismus noch weiter geschwächt wird, etwa indem Gemeindezeitungen die Attraktivität ihrer Gemeinde-/Amtsnachrichten mit journalistischen Berichten beispielsweise der Nachrichtenagentur Keystone-SDA oder bürgerjournalistischen Beiträgen erhöhen. Damit schwächen sie die bestehenden Lokalmedien.
In einem solchen Fall ist es besser, wenn Journalismus und Gemeinden kooperieren und ihre eigenen Stärken einsetzen. Auch für gemeindeeigene Zeitungen können Lokalmedien den redaktionellen Teil und die Gemeinden ihre Amtsnachrichten liefern. Ahnliche Modelle sind auch online denkbar. Gleichzeitig können Gemeinden zumindest Medienunternehmen indirekt unterstützen, indem sie Verlagsdienstleistungen zum Beispiel zur Ausspielung ihrer Gemeindemitteilungen bevorzugt bei lokalen Medienunternehmen einkaufen. Es wird sich in Zukunft die Frage nach den Systemgrenzen immer mehr stellen: Wo beginnt der Aufgabenbereich der Lokalmedien und wo endet die Informationspflicht der Gemeinden? Es gilt, solche Systemgrenzen zu definieren.
Die Öffentlichkeitsarbeit in den Gemeinden professionalisiert sich zunehmend. Das heisst, Medienmitteilungen werden in weiten Teilen auf hohem qualitativen Niveau zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig unterliegen Lokalmedien häufig einem starken Spardruck. Es ist wichtig, dass in dieser Dynamik eine Kernaufgabe des (Lokal-)Journalismus beibehalten wird: sich kritisch, mit zuglieferten Inhalten auseinanderzusetzen und diese nicht lediglich mit leichten Anpassungen unkommentiert zu publizieren, Gemeindevertreter:innen erwarten zu Recht eine journalistische Einordung der Geschehnisse und Entscheide auf Gemeindeseite durch die Redaktionen der Lokalmedien.
Zwar gibt es in einigen Gemeinden Vorbehalte[4] gegenüber den Lokalmedien, gleichwohl ist es vielen Gemeindevertreter:innen ein grosses Anliegen, dass eine kritische Berichterstattung zu Gemeinde-relevanten Themen gewährleistet ist. Entsprechend besteht die Erwartung, dass Vertreter:innen der Lokalmedien hier aktiv werden und sich kritisch mit einzelnen Sachverhalten auseinandersetzen. Es braucht Gemeindevertreter:innen ohne Berührungsängste mit den Medien. Hierfür ist es hilfreich, die Presseratsrichtlinien zu kennen und sich mit der Arbeitsweise von Journalist:innen vertraut zu machen. Gleichzeitig benötigt es fachlich ausgerüstete Redaktionsmitglieder in den Lokalmedien, die sich fundiert mit Themen auf kommunaler Ebene befassen.
[4] 2024 gab es diesbezüglich in der Schweiz eine neue Eskalationsstufe, wobei die Gemeinde St. Niklaus öffentlich kommunizierte, dem Walliser Bote keine Auskunft mehr zu geben: www.persoenlich.com/medien/gemeinde-boykottiert-lokalzeitung